Auguste G., geb. 14.8.1921, seit November 1942 in Deutschland, zunächst in Kassel (Hanomag), dann ab November 1943 in Gottingen (Autowerkstatt Bielefeld) und ab März 1944 wieder in Kassel

Am 23.11.2003 schrieb Auguste G. einen kurzen Bericht über seine Zwangsarbeit in der Göttinger Autowerkstatt Bielefeld:

"Wir waren 3 Franzosen in diesem Lager [Eiswiese - C.T.] (Maurice R., Henri D. und ich), und die beiden Freunde arbeiteten mit mir in derselben Werkstatt, und wir haben uns nie getrennt bis zur Befreiung im Mai 1945.

Maurice R. und Henri D. sind gestorben, ich war derjenige, der die beiden verbunden hat, und ich habe sie wiedervereinigt und vor allem war Maurice ein grosser Freund, aber er ist leider vor 2 Jahren gestorben und seine Frau meldet sich immer noch. (Und Henri ist auch gestorben).

Wir waren in Kassel-Bettenhausen bei Herrn Herl, Werkstatt Hanomag 2. Ein Bombenangriff erzeugte 52 000 Tote. Wir haben es überlebt, obwohl wir im Zentrum waren, am Kirchenplatz, neben dem Gefängnis.

Wir wurden nach Göttingen zu Herrn Bielefeld deportiert. Es war eine kleine Werkstatt im Stadtzentrum. Als ich eine Erinnerungsreise machte, haben wir Kassel und Göttingen besichtigt. Ich habe Herr Biedefeld wiedergetroffen, der eine Werkstatt/Tankstelle am Rande der Autobahn hatte. Ich wurde sehr freundlich empfangen und zum Mittagessen eingeladen. Inzwischen ist er gestorben, ich bin der einzige Überlebende dieser traurigen Odyssee."

 

Nach den Angaben von Auguste G. bekamen die Franzosen bei Bielefeld 10 RM in der Woche als Lohn ausbezahlt, während ein französischer Rangierarbeiter bei der Reichsbahn einen monatlichen Nettolohn von 192 RM bekam. Dieser Unterschied kann zum Teil dadurch erklärt werden, dass der fragliche Reichsbahnarbeiter privat untergebracht war und nach dem Arbeitstag selbst für sich zu sorgen hatte, während Auguste G. in einem Lager einquartiert war und auch verpflegt wurde. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung wurden bereits vom Lohn abgezogen. Ein französischer Arbeiter bei Winkel, der ebenfalls in einem Lager untergebracht war und von dem sich die Lohnabrechnungen erhalten haben, erhielt aber immerhin zwischen 75 und 105 RM por Monat ausbezahlt. Die Zeitzeugenbefragungen von Cécile Bonnet haben aber davon abgesehen eine große Schwankungsbreite bei den Löhnen der zivilen Zwangsarbeiter ergeben, was auf eine hohe Abhängigkeit von der Gutwilligkeit der jeweiligen Betriebe hinweist, anders ausgedrückt auf die übliche Willkür, mit der Zwangsarbeitern auch in einem Bereich begegnet wurde, der eigentlich gesetzlich genau geregelt war: "“Der ausländische Arbeiter erhält bei gleicher Leistung denselben Lohn wie der vergleichbare deutsche Arbeiter. Er kann also nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als der deutsche Arbeiter." (Reichsarbeitsblatt Teil I Nr.15, 1942, I 259 (Merkblatt für ausländische gewerbliche Arbeitskräfte).

  

Die drei in dem Bericht erwähnten französischen Arbeiter bei Bielefeld mit einem vierten, der bereits im August 1942 als Schmied zu Bielefeld gekommen war (unten links). Der Briefschreiber ist der mit der Brille.


Quellen und Literatur:

Brief von Auguste G., geb. 14.8.1921, an Cécile Bonnet vom 23.11.2003, ausgefüllter Fragebogen 4.1.2004 (überlassen von Cécile Bonnet), Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32 - Tollmien.

Fotos: Aufenthaltsanzeigen von Ausländern (Robert F., geb. 21.9.1922, Auguste G., geb. 14.8.1921, Maurice Roux, geb. 17.10.1922, Henri D., geb. 10.8.1920), Stadtarchiv Göttingen Pol. Dir. Fach 124 Nr. 15 (alphabetische Ablage).

Cécile Bonnet, Service du travail obligatoire (STO) in Göttingen, Magisterarbeit Universität Aix en Provence, Frankreich, 2004 (Manuskript), Abschnitt 2.1. Rechte.

 


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