NS-Zwangsarbeit: Spindler & Hoyer (Königsallee 23)

Die mechanischen und optischen Werkstätten Spindler & Hoyer wurden 1898 von Julis Adolf Hoyer (1874-1943) und August Spindler (1870-1927) in Göttingen gegründet. Die Produktpalette umfasste optische Geräte für Demonstrationen in wissenschaftlichen Instituten, Fernrohre, Mikroskope, Instrumente für die Luftfahrt, Waagen, Elektrisiermaschinen, Erdinduktoren, Ophtalmometer, Optische Bänke, Sphärometer, Spektrometer, Kompasse, Magnetometer, Voltameter, Seismographen, Feldstecher und Sextanten. Nach mehrfachen Umzügen wurde der Firmensitz samt Produktionsstätten 1907 an die Königsallee verlegt, wo er sich noch heute befindet. Alleiniger Geschäftsführer war nach dem Tod von Spindler Adolf Hoyer. In den 1930er Jahren produzierte Spindler & Hoyer in erster Linie optische Geräte für Heer und Marine und war seit 1935 Wehrmachtsbetrieb. Die Firma gehörte Ende 1944 zu den 30 größten Rüstungsfirmen der südniedersächsischen Region. Nach einem Eigentümerwechsel wurde die Firma 1996 in Linos AG umbenannt und seit 2006 gehört sie 2006 zu Quioptiq Group.

Am 31.12.1944 waren nach einer offiziellen Beschäftigungsmeldung bei Spindler & Hoyer 10 "Ostarbeiterinnen" und 6 "Sonstige" (Franzosen) beschäftigt.

Aus den von der Firma freundlicherweise zur Verfügung gestellten Beschäftigtenlisten kann man entnehmen, dass alle 10 Ostarbeiterinnen erst am 29. August 1944 zu Spindler & Hoyer gekommen waren. Aus Zeitzeugenaussagen wissen wir, dass zumindest einige (wahrscheinlich aber alle) schon 1942 nach Deutschland deportiert worden waren und zuvor in Göttinger Haushalten tätig gewesen waren. Mitte 1944 wurden aber die "Ostarbeiterinnen" alle aus den Haushalten wieder abgezogen und in die Rüstungsindustrie umgesetzt. Davon profitierte auch Spindler & Hoyer. In den Beschäftigtenlisten ist aus einem nicht ersichtlichen Grund für alle "Ostarbeiterinnen" von Spindler & Hoyer als Unterkunft das "Lager Schützenplatz" eingetragen. Das widerspricht aber der vorliegenden Zeitzeugenaussage, die aufgrund der mitgeteilten Details absolut glaubwürdig ist. Danach waren alle "Ostarbeiterinnen" direkt bei Spindler & Hoyer in einem Kellerraum untergebracht waren, wo sie nach der Arbeit eingeschlossen wurden. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner wurden die "Ostarbeiterinnen" wieder wie bei ihrer Ankunft vor der Überstellung in einen privaten Haushalt im Lager Schützenplatz gesammelt. Denkbar ist lediglich, dass Spindler&Hoyer als Mitglied der Göttinger Küchenvereinigung das Lager Schützenplatz ursprünglich als Unterkunft für seine "Ostarbeiterinnen" vorgesehen hatte, dann aber - vielleicht wegen Überfüllung des Lagers oder aber auch wegen der relativ weiten Entfernung - sich dort zu einer Unterbringung direkt in der Firma entschloss.

Die Franzosen kamen gleichzeitig mit zwei Belgiern, die die Firma aber schon vor dem Dezember 1944 wieder verließen, alle Anfang 1943. Einer von ihnen war privat, die anderen im Lager Eiswiese untergebracht. Einer der Franzosen hatte zuvor bei Schneider & Co gearbeitet und wurde im Dezember 1943 "vertragsbrüchig".

Einem Schreiben der deutschen Arbeitsfront vom 14.1.1943 an die Ehefrau des Geschäftsführers von Spindler & Hoyer Frau Hoyer kann man entnehmen, dass auch diese vor dem August 1944 eine "Ostarbeiterin" als Haushilfe beschäftigte. In dem Schreiben ging es um die "Freizeitgestaltung" der hauswirtschaftlichen "Ostarbeiterinnen", die im Lager Schützenplatz im Stopfen und Flicken unterwiesen werden und auch ein paar Worte Deutsch lernen sollten, um den deutschen Hausfrauen wirklich von Nutzen sein zu können.


Adolf Hoyer und August Spindler


Frühe Reklame der Firma Spindler & Hoyer

Belegschaft von Spindler & Hoyer 1930er Jahre

Belegschaft der Firma Spindler & Hoyer in den 1930er Jahren (Quelle)

Spindler & Hoyer 2005

Die Firma Spindler & Hoyer, seit 1996 als Linos AG firmierend, in einer Teilansicht aus dem Jahre 2005, auf der noch Reste der alten Gebäude erkennbar sind.


Quellen und Literatur:

Beschäftigtenlisten, Stadtarchiv Göttingen, Dep. 104 Nr. 223.

Beschäftigungsmeldung 31.12.1944, Bundesarchiv Berlin Lichterfelde, R 12I/102 (Reichsgruppe Industrie), Beschäftigungsmeldungen (überlassen von Frank Baranowski).

Liste aller Fabriken in Göttingen, o.D. [1945], Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 2 Nr. 35, o.P.

Aufenthaltsanzeigen Ausländer (alphabetisch unter B), Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 125 Nr. 15.

Baranowski, Frank, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 44 Und S. 236 Anm. 62

 


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