Stellungnahme zur Namensnennung von NS-Opfern

Leider ist es speziell bei Veröffentlichungen über NS-Zwangsarbeiter noch immer häufig so, dass diese ohne ihr Einverständnis (in der Regel sogar ohne ihr Wissen) auf Internetseiten, Ausstellungstafeln oder Buchveröffentlichungen mit vollem Namen genannt werden, auch dann, wenn diese noch leben oder noch leben könnten.

Diese Missachtung der Persönlichkeitsrechte der ehemaligen Zwangsarbeiter wird – wenn dies nicht völlig unbedacht geschieht – häufig mit politisch ehrbaren Intentionen begründet wird: Man wolle durch die Namensnennung den Betroffenen ihre Würde zurückgeben, sie von einer Nummer wieder zu einem Menschen mit Namen machen. Dieses Ziel aber lässt sich auch mit abgekürzten Namen erreichen und es rechtfertigt daher nicht, die Namen von Menschen preiszugeben, von denen man nicht weiß, ob sie dies wirklich wollen.

Lebende Personen, so verlangt es das Selbstbestimmungsrecht des Individuums müssen in jeden Fall um ihre Zustimmung bei der Veröffentlichung von persönlichen Daten gefragt werden. Ausnahmen sind lediglich Personen der Zeitgeschichte. Dazu zählt aber der einzelne Zwangsarbeiter in der Regel nicht, einfach weil Zwangsarbeit während der NS-Zeit ein Massenphänomen war. Der Name eines einzelnen Zwangsarbeiters ist für das Verständnis des Situation und des Leidens dieser NS-Opfer in den meisten Fällen daher völlig irrelevant.

Im Gegenteil: Mit der Veröffentlichung der Biografie eines einzelnen Zwangsarbeiters werden häufig so viele und spezifische Details aus seinem Leben bekanntgegeben und einem unbekannten Publikum zur Kenntnis gebracht, dass eine Namensnennung (vielleicht sogar noch verbunden mit Geburtsdatum und heutigem Wohnort) einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen darstellt und diesen ein zweites Mal für fremde Zwecke missbraucht.

Sich dies bewusst zu machen und die Persönlichkeitsrechte auch von ehemaligen Zwangsarbeitern ohne Einschränkungen strengstens zu beachten, ist eine einfache Frage des menschlichen Respekts.

Nach deutschem Recht ist eine Veröffentlichung persönlicher Daten, wenn es sich nicht um Personen der Zeitgeschichte handelt, erst hundert Jahre nach der Geburt bzw. 30 Jahre nach dem Tod zulässig. Dieses Recht, das jeder von uns selbstverständlich täglich für sich in Anspruch nimmt, steht auch jedem ehemaligen Zwangsarbeiter, jeder ehemaligen Zwangsarbeiterin zu - auch wenn sie in Ländern wohnen, die dieses Recht nicht kennen.

Denn alle Menschen haben ein Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten und niemand darf von Publizisten oder Forschern für deren Zwecke (etwa für den Anschein von Authentizität oder den Eindruck persönlicher Nähe) durch die Nennung seines vollen Namens missbraucht werden.

Auf dieser Homepage werden daher nur die Namen ehemaliger Zwangsarbeiter oder Zwangsarbeiterinnen veröffentlicht, die dies ausdrücklich gewünscht oder genehmigt haben. In allen anderen Fällen werden die gesetzlichen Fristen von 30 Jahren nach dem Tod bzw. 100 Jahre nach der Geburt beachtet.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die strengen Nutzungsbedingungen des digitalen Archivs "Zwangsarbeit 1939-1945". Dieses Archiv, das man nur nach erfolgter Registrierung nutzen kann, bewahrt in fast 600 ausführlichen Audio- und Video-Interviews von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern die Erinnerung an die über zwölf Millionen Menschen, die für das nationalsozialistische Deutschland Zwangsarbeit geleistet haben.

Cordula Tollmien

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