Textilfabrik Schöneis, Königsallee 42 / Groner Landstraße 55 (Inhaber Willy Schöneis)

Die Firma stellte Uniformen für die SA und die Wehrmacht her, wobei es sicherlich hilfreich war, dass der Inhaber Willy Schöneis (21.9.1898-9.2.1950) schon vor 1930 Mitglied der NSDAP gewesen war und der SA Räume in seinem Betrieb zur Verfügung gestellt hatte. 1929 hatte Schöneis mit nur einer Strickmaschine angefangen und bekam wegen seiner faschistischen Betätigung zunächst keine Heeresaufträge. Er begann deshalb die SA einzukleiden und beschäftigte schon Anfang 1933 zwölf ArbeiterInnen. 1936 hatte die Firma dann bereits 90 und 1937 110 Beschäftigte. Die Firma nutzte auch ein Grundstück an der Groner Landstraße 55 - der Einmündung der Königsallee gegenüberliegend. Dort errichtete sie im April 1942 eine Baracke zur Unterbringung von Zwangsarbeitern.

Im Juli 1940 stellt die Firma einen Antrag auf die Zuweisung von zwei französischen Kriegsgefangenen, der aber - da es sich um keine vordringlichen Arbeiten handele - vom Landesarbeitsamt abgelehnt wurde. Anhand einer für die Zeit zwischen dem 22. Juni und 10. September 1940 erhaltenen Telefonabrechungen lässt sich aber ablesen, dass in der Firma zumindest in diesem Zeitraum französische Kriegsgefangene aus dem Lager Sültebeck arbeiteten.

Seit April 1941 arbeitete ein Tscheche als Kontorist bei Schöneis.

Seit Frühsommer 1942 arbeitete bei der Firma eine größere Gruppe von "Ostarbeiterinnen". Schöneis selbst spricht in seinem Entnazifizierungsverfahren, von "80 russischen Mädchen", die ausweislich der uns vorliegenden Zeitzeugenaussagen in der Schöneisschen Baracke in der Groner Landstraße 55 oder im Lager Schützenplatz untergebracht waren.

Im Mai 1944 wurde der Betrieb geschlossen, weil - so die Aussage des Werkmeisters - die Zahl der Angestellten auf unter 50 Personen gesunken war. Die "Ostarbeiterinnen" von Schöneis arbeiteten nach der Schließung, zum Teil auch schon früher, entweder bei der Reichsbahn (und wechselten damit auch in eins der großen Reichsbahnlager) oder auf Dörfern in der Umgebung Göttingens in der Landwirtschaft. Die Baracke in der Gronerlandstraße 55 nutzte schon ab August 1943 die Firma Winkel für in Zivilarbeiter umgewandelte französische Kriegsgefangene.

Willy Schöneis machte nach dem Krieg geltend, dass er 1943 aus der NSDAP ausgeschlossen worden sei, außerdem ständig Auseinandersetzungen mit dem Gau- und dem Kreisleiter und dem Vorsitzender der DAF gehabt habe, weil er zum einen die bei ihm beschäftigten Kriegsgefangenen gut behandelt habe (sie erhielten seiner Aussage nach täglich eine Flasche Bier von ihm, weshalb der Kreisleiter angeblich ein Verfahren vor dem Kriegsgericht gegen ihn angestrengt habe) und weil er zweitens seine Beziehungen zu jüdischen Geschäftsleuten nicht habe aufgeben wollen und gegen den Synagogenbrand gewesen sei. Dies führte dazu, dass er nur als Minderbelasteter eingestuft und - trotz öffentlicher Proteste dagegen - seine ursprünglich verfügte Entlassung rückgängig gemacht wurde. Zeugenaussagen stellten dann klar, dass Schöneis nur deshalb aus der Partei ausgeschlossen worden war, weil er einen Göttinger Geschäftsmann um eine große Summe Geld betrogen hatte. Außerdem sei er für die Übernahme eines großen Textilbetriebes in Polen vorgesehen gewesen. Bei der abschließenden Verhandlung im September 1948 hatte der öffentliche Ankläger dann die Einstufung in Gruppe 2, in der "Akivisten, Militaristen und Nutznießer" zusammengefasst waren, beantragt, erreicht wurde aber nur eine Einstufung in Kategorie IV als "Minderbelasteter". Immerhin verzichtete Schöneis auf einen weiteren Einspruch, mit dem er seine Einstufung als "Unbelasteter" hätte betreiben können.

Göttinger Adressbuch 1937

Eine der Zwangsarbeiterinnen von Schöneis (anschließend Reichsbahn). Das Foto wurde von dem Göttinger Fotografen Hübner gemacht. Wahrscheinlich für einen Arbeitsausweis.


Quellen und Literatur:

Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnermelderegistratur.

Aktennotiz 23.7.1940, Landesarbeitsamt an Stalag 23.7.1940, Aktennotiz 25.7.1940, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.

Lageplan Baracke Groner Landstraße 55 Firma Willi Schöneis, Stadtarchiv Göttingen Baupolizei XX B Fach 112 Nr. 391, o.P.

Materialsammlung zur Ausstellung "Wir haben doch die Fabriken wieder aufgebaut" - Gespräche mit alten Gewerkschaftern, Göttingen 6.-30.5.1985, hg. vom DGB, o.O., O.J., Göttingen 1985, S. 8 (nach Göttinger Nachrichten 29.1.1938).

Entnazifizierungsakte, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Nds. 171 Hildesheim Nr. 17089.

Fragebögen Olga Petrowna G., geb. 6.10.1924, o.d. (Eingang 12.3.2002), Nina Timofejwena L., geb. 12.5.1925, o.D. (Eingang 30.12.2002), Maria Fjodorowna S., geb. 9.1.1922, o.D. (Eingang 11.1.2001), Anna Maximowna S., geb. 6.6.1926 o.D. (Eingang 30.12.2000), Maria Prochorowna K., geb. 5.7.1922 o.D. (Eingang 18.1.2001), Nina Stachowna P., geb. 8.2.1925, o.D. (Engang 18.4.2001), Anna Lujanowa S., geb. 27.5.1925 o.D. (Eingang 1.2.2002), Jetaerina Iwanowna G., geb. 15.7.1920 o.D. (Eingang 8.12.2001), Stadtarchiv Göttingen Sammlung 32- Tollmien, Korrespondenz.

 


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