Lager Eiswiese, Göttingen, Sandweg
genutzt und betrieben von den Göttinger Rüstungsbetrieben - Küchenvereinigung e.V.
(zwischen 10 und 20 Holz - und Steinbaracken)
bestand seit Oktober 1942 bis Kriegsende

Das Lager Eiswiese wurde als "Westarbeiterlager" gleichzeitig mit dem Lager Schützenplatz von der hannoverschen Abteilung Rüstungsbau des Ministeriums Speer im August 1942 geplant und spätestens im Dezember 1942 von der "Küchenvereinigung e.V." übernommen.

Es wurde ein wenig später als das Lager Schützenplatz gebaut und Ende Oktober 1942 erstmals belegt. Im Laufe der Jahre wurde es mehrfach erweitert, wobei aus den Akten nicht ganz klar wird, ob wirklich alle Planungen immer realisiert wurden: Der nebenstehende Plan zeigt das Lager im März 1944, eingezeichnet sind darin bereits die neu geplanten fünf Steinbaracken (auf dem Plan oben parallel um oberen Bachlauf, mit dem Querbau in der Mitte und den Kreuzen, die die vom Luftschutz geforderten Deckungsgräben markieren). Dies waren auch die Baracken, die nach dem Krieg noch von Eisenbahnerfamilien weitergenutzt wurden. Die übrigen Baracken dürften demnach aus Holz gewesen sein. Nach diesem Plan hätten im Lager Eiswiese also zehn größere, sieben mittelgroße und zwei sehr kleine Baracken gestanden, wobei nicht erkennbar ist, was Unterkunftsbaracken (sicher die größeren) und was Funktionsbaracken waren. Es gab im Lager eine Waschbaracke und ein Gebäude für die "Ordnungswachen". Das Lager Eiswiese wurde nur durch einen zivilen Wachdienst gesichert.

Nach einer Statistik vom August /September 1944 soll das Lager Eiswiese, in dem im Laufe des Krieges neben Franzosen, Holländern, Belgiern, Tschechen und Serben auch einzelne "Ostarbeiterinnen" untergebracht waren, nur mit etwa 200 Personen belegt gewesen sein (spezifiziert in 188 Franzosen + 19 Flamen + eine nicht genannte Zahl von Holländern). Die Planungen vom Frühjahr 1944 sprechen dagegen von Unterkünften für 600 "männliche und weibliche Arbeitskräfte" und in einer Nachkriegsangabe ist von insgesamt 500 Insassen. Dabei kann es sich allerdings um ehemalige Zwangsarbeiter gehandelt haben, die erst nach Ende des Krieges vor ihrer Rückkehr in die Heimat im Lager Eiswiese konzentriert wurden.

In dem Lager Eiswiese waren unter anderem untergebracht:

  • Spätestens seit November 1942 befand sich eine Baracke für französische Kriegsgefangene der Firma Feinprüf auf dem Gelände des Lagers Eiswiese.
  • Seit Sommer 1943 wiesen die Aluminiumwerke französische Zivilarbeiter (mindestens 60 Arbeiter über die gesamte Kriegszeit) in das Lager Eiswiese ein; auch französische Zivilarbeiter der Phywe und anderer Rüstungsbetriebe waren in der Eiswiese untergebracht. Auch kleinere Betriebe, wie beispielsweise die Autowerkstatt Bielefeld, nutzen das Lager Eiswiese für die Unterbringung von Franzosen. Vereinzelt sind auch Französinnen im Lager Eiswiese nachweisbar.
  • Seit Sommer 1943 wiesen die Aluminiumwerke niederländische Zwangsarbeiter (um 60 Arbeiter über die gesamte Kriegszeit) in das Lager Eiswiese ein. Nach einer Angabe aus dem Jahre 1949 sollen insgesamt 200 Niederländer im Lager Eiswiese gewesen sein. Siehe dazu die Beschreibung des Lagers in den Erinnerungen des holländischen Zwangsarbeiters Cornelius K.
  • Seit Ende 1943 waren auch Flamen (darunter auch vereinzelt Frauen) im Lager Eiswiese untergebracht. Sie arbeiteten z.B. für die Aluminiumwerke.
  • 1944 nutzte die Reichsbahn das Lager Eiswiese zur Unterbringung von tschechischen Zwangsarbeitern,
  • ab September 1944 dann auch von polnischen Zwangsarbeitern.
  • Auch "Russinnen" (also "Ostarbeiterinnen") waren nach den Erinnerungen eines ehemaligen holländischen Zwangsarbeiters im Lager Eiswiese untergebracht und zwar Tür an Tür, Toilette an Toilette mit den Westarbeitern.
  • Gegen Ende des Krieges (ab März 1945) sind auch italienische Arbeiter, die für die Firma Drege arbeiteten, im Lager Eiswiese nachgewiesen.
  • Nach einer Angabe aus dem Jahre 1949 sollen 100 Serben im Lager Eiswiese untergebracht gewesen sein. Das ist insofern verwunderlich, als das Lager Eiswiese in den sonstigen Unterlagen für Serben nur ganz vereinzelt genannt und speziell in den Meldeunterlagen kaum vorkommt. Es wäre allerdings möglich, dass die Serben gegen Ende des Krieges oder auch danach im Lager Eiswiese konzentriert wurden und eine polizeiliche Meldung nicht mehr erfolgte.

     

    Baracke Lager Eiswiese

    Eine der inzwischen verlassenen Steinbaracken des Lagers Eiswiese
    - wahrscheinlich 1960er Jahre (Städtisches Museum Göttingen)
  • Erweiterungsplan des Lagers Eiswiese vom 14.3.1944 (Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dirf Fach 112 Nr. 182).

    Lager Eiswiese

    Blick auf das Lager Eiswiese - Nachkriegsaufnahme

    Lager Eiswiese

    Zufahrt zum Lager Eiswiese über den Bach, der auch oben auf dem Plan von 1944 eingezeichnet ist. Das Lager wurde bis Anfang der 1950er Jahre für die Unterbringungen von Eisenbahnerfamilien genutzt, und eine einzelne Baracke diente sogar noch bis in den 1970er Jahre als Studentenunterkunft.

    Lager Eiswiese

    Nachkriegsbewohner der Baracken im Lager Eiswiese. Gerhard Sauthoff, der uns die Fotos überlassen hat, schrieb dazu: "Unsere Kartoffeln wurden damals im [ausgebrannten - C.T.] Überschallkanal der AVA gelagert, wohin mein Bruder und ich regelmäßig hinpilgern mussten mit Handwagen oder im Winter mit Schlitten, der mit Kartoffeln auch mal umkippte."


    Quellen:

    Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen;

    Ordnungsamt Register Fremdenpässe (Acc. Nr. 1047/1991), angefangen 4.2.1942, ebd.; Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 49, ebd., passim; OB 15.4.1943, ebd. Nr. 54, o.P.; erste Planungen Schützenplatz und Eiswiese Juni 1942, ebd. Bauamt Abt. I Fach 1 Nr. 26 Bd. 2, o.P.; ebd. Pol.Dir. Fach 112 (Baupolizei) Nr. 182, passim (enthält einen Plan des Lagers Eiswiese vom März 1944 mit 9 größere und 3 kleineren Baracken); Handschriftliche Statistik vom 16.11.1942-31.12.1945, ebd. Ernährungsamt Nr. 50, o.P.; Statistiken August/September 1944, ebd. Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 541f. , Bl. 544-547; Lagerliste 12.7.1945, ebd. Bauamt Abt. I Fach 2 Nr. 35; Lagerliste vom 15.5.1945, ebd., AHR I A Fach 48 Nr. 3, Bl. 123; Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv, Film 3, Nr. 1453; BKK Sartorius, Liste der Ausländer, in: Eckart Schörle, Gutachten zur Situation von "Zwangsarbeitern" bei der Firma Sartorius Göttingen während der Zeit des Nationalsozialismus, Göttingen im Juni 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen), Anhang, o.P.

    Briefwechsel mit der Bürgerschützengesellschaft, Besprechungen zur Einrichtung des Lagers Schützenplatz 1942-1944, Stadtarchiv Göttingen, Amt für Wohnungswesen Nr. 294 (insb. die Schreiben vom 17.6.1942, 11.6.1942, 25.6.1942,3.7.1942, 31.5.1943, 19.3.1943, in der Reihenfolge der Ablage o.P.).

    Pläne 1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 112 Nr. 182, passim.

    Cornelius J. K., Verlorene Jahre, Erinnerungen aus den Jahren 1943-1945, o.J. [2001/2002].

    Fotos Gerhard Sauthoff, Stadtarchiv Göttingen, Sammlung 32 - Tollmien

    Foto, Städtisches Museum Göttingen, Fotoarchiv.

     


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