NS-Zwangsarbeiter: Serben

Seit Frühjahr 1941 liefen die Planungen für den Überfall auf die Sowjetunion. Durch die Niederlage des Bündnispartners Italien in Griechenland waren diese Pläne jedoch gefährdet und als es in Jugoslawien zu einem von Großbritannien eingefädelten Putsch gegen die dortige deutschfreundliche Regierung kam, griff die Wehrmacht am 6. April 1941 Jugoslawien an. Begleitet von Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung war die Besetzung Jugoslawiens bereits am 17. April 1941 abgeschlossen, und das Land wurde unter seinen Nachbarn Deutschland, Italien, Ungarn und Bulgarien aufgeteilt. In Kroatien wurde ein eigener Staat ausgerufen, den jedoch faktisch ein von den Deutschen abhängiges Marionettenregime regierte. Die kroatischen und die meisten anderen nichtserbischen Kriegsgefangenen wurden daraufhin entlassen, etwa 110 000 serbische Kriegsgefangene jedoch nach Deutschland zum Arbeitseinsatz transportiert. Dieser Arbeitseinsatz erfolgte vor allem in der Landwirtschaft und so lassen sich in Göttingen-Stadt serbische Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz nicht nachweisen, wohl aber wurde einzelne serbische Kriegsgefangene aus dem Umland in der Göttinger Universitätsklinik behandelt.

Serbische Zivilarbeiter gab es dagegen sehr wohl in der Stadt Göttingen, wenn auch nicht in großer Zahl. Reichsweit betrug die Zahl der nicht-kroatischen jugoslawischen, überwiegend serbischen Zivilarbeiter nicht mehr als 100 000 (einschließlich der slowenischen sog. Absiedler) , und in Göttingen selbst werden es über die gesamte Zeit gerechnet nur einige hundert gewesen sein. Die Serben waren vor allem in den Aluminiumwerken (spätestens seit Februar 1942) und die meisten von ihnen wieder bei der Reichsbahn (seit spätestens September 1942) eingesetzt.

Einer dieser ersten serbischen Reichsbahnarbeiter kehrte im März 1944 krank nach Hause zurück, ein zweiter wurde am 17. August 1944 als "entwichen" gemeldet. Insgesamt wurden von den 40 Serben in Göttingen, für die die Quellen entsprechende Einträge enthalten, fünf als "geflohen" gemeldet, das ist immerhin jeder achte.
Einen Sonderfall stellt ein serbischer Maschinenschlosser dar, der im August 1943 aus dem Reichsbahnlager Weender Hof in eine Privatunterkunft in Göttingen wechselte, am 22.12.1943 dann ins Lager Eisweise eingewiesen wurde, am 31.1.1944 wieder in eine Privatunterkunft wechselte und dann vom 15.3. bis 25.8.1944 im Hannoveraner Gerichtsgefängnis einsaß. Anfang September 1944 kam er nach Göttingen zurück (wohnte wieder privat) und wurde dann im Dezember 1944 zur SS eingezogen. Hier nicht an massive Druckausübung zu denken, fällt schwer, wobei allerdings die Privatunterbringung zuvor trotz des Gefängnisaufenthaltes auf eine verglichen mit den anderen durchweg in einem Lager untergebrachten serbischen Zwangsarbeitern bei der Reichsbahn privilegierte Behandlung schließen lässt.

Auffällig ist, dass eine größere Anzahl von Serben bei verschiedenen Göttinger Bäckern arbeitete, einzelne auch bei Schuhmachern oder Tischlern, und auch bei Friseuren. Im übrigen waren Serben als Maschinenschlosser und Automatendreher vor allem in metallverarbeitenden Betrieben (häufig ohne genaue Angabe des Arbeitgebers) und auch in Autowerkstätten tätig. Bezogen auf die mittelständischen Göttinger Betriebe beschäftigte die Schlosserei und Ofenbauerei Albert Metje, wo während des Krieges vor allem Industrieöfen herstellt wurden, die größte Gruppe von serbischen Zivilarbeitern. Einzelne Serben arbeiteten nachweislich auch bei Schneeweiß, bei der Eisenbahnbaufirma Keim und gegen Ende des Krieges auch bei der Baufirma Fricke.

Insgesamt arbeiteten von August 1941 bis Kriegsende in der Stadt Göttingen (einschließlich Geismar, Grone und Weende) nach neuesten Schätzungen etwa 300 serbische Zivilarbeiter.

Serbischer Zwangsarbeiter

Zwei Serben, der seit April 1942 in den Aluminiumwerken arbeiteten.
Serbischer Zwangsarbeiter

Unterbringung/Lager:

  • Die in den mittelständischen Betrieben arbeitenden Serben waren dort zumeist auch untergebracht.
  • Die serbischen Reichsbahnarbeiter waren in Gasthauslagern, und zwar hauptsächlich im Umland (Weende und Adelebsen und vereinzelt auch in Grone) untergebracht.
  • Nach einer Angabe aus dem Jahre 1949 sollen 100 Serben im Lager Eiswiese untergebracht gewesen sein. Dabei kann es sich aber um ein Nachkriegslager gehandelt haben, in dem alle Serben, die sich nach dem Krieg noch in Göttingen befanden, konzentriert wurden.


    Arbeitsflucht und "widersetzliches Verhalten" bei den Serben

    Serben im Konzentrationslager



  • Quellen:

    Die obigen Schätzungen für die Anzahl der serbischen Arbeiter beruhen auf der Auswertung und einer entsprechenden Hochrechnung von 24,12 % der insgesamt 1082 Kisten (Zahl bereinigt um Kisten mit ausschließlich typisch deutschen Namen wie Müller, Schmidt, Schulze) der alten Einwohnermeldekartei, die im Stadtarchiv Göttingen aufbewahrt wird; ergänzt durch: Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15; Register Fremdenpässe, ebd. Ordnungsamt acc. 1047/1991 Nr. 258; Lageraufnahme Belgischer Suchdienst 1949, Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Film 3, Nr. 1453.

    Lagerstatistik auf Anforderung der Gestapo vom 4.8.1944 und vom 6.9.1944, Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 124 Nr. 2 Bl. 541 -546.

    Liste ausländischer Patienten der Göttinger Chirurgie während der Kriegsjahre, zusammengestellt von Mitarbeitern des Instituts für Ethik und Medizin aus Patientenakten, Stand Oktober 2002 (diese Liste wurde mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt)

    Fotos serbischer Zivilarbeiter, Aufenthaltsanzeigen für Ausländer, Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 124 Nr. 15.

    Literatur:

    Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart München 2001, S. 66 ff.

     


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