NS-Zwangsarbeit: "Arbeitserziehungslager" Lahde

Das "Arbeitserziehungslager" Lahde von der Gestapo im Mai 1943 als Nachfolgelager von Liebenau eingerichtet, lag an der Weser (bei Minden), genau gegenüber dem 1941 begonnenen und erst 1951 fertiggestellten Bau des großen Kraftwerk der Peußag (Preußischen Elektrizitäts-Aktiengesellschaft), für das auch die Häftinge des "Arbeitserziehungslager" schuften mussten. Bei der dortigen Großbaustelle gab es schon vor Einrichtung des "Arbeitserziehungslager" große Barackenlager für ausländische Zwangsarbeiter, die nun um das "Arbeitserziehungslager" erweitert wurden. Das Lager bestand aus vier Holzbaracken mit jeweils zehn Stuben, in denen je 15 bis 20 Gefangene untergebracht waren. Außerdem gab es einen Essenbaracke, zwei oder drei Baracken für Verwaltung und den Sanitätsbereich, sowie einen steinernen Arrestbunker mti Einzelzellen und einen Appellplatt mit zwei Galgen. Das Lager fasste 900 bis 1000 Häftlinge. Insgesamt waren während des Bestehens des Lagers Lahde mindestens 7000 Männer dort inhaftiert, von denen 85 bis 95 Prozent Ausländer waren. Die Häftlinge waren in Lahde einem besonders brutalen Terrorregime der Gestapo ausgesetzt. Neben Watenstedt galt auch Lahde als Todeslager, in dem zeitweise zwei bis drei Männer täglich ums Leben kamen. Bei der Auflösung des Lagers im April 1945 wurden dann noch einmal zahlreiche, vor allem osteuropäische Lagerhäftlinge ermordet.

Für Göttingen wissen wir von zwei italienischen Arbeitern und von einem polnischen Häftling, dass sie im "Arbeitserziehungslager" Lahde waren:

Italienischer Zivilarbeiter

Die beiden italienischen Arbeiter arbeiteten beide seit Oktober 1943 bei der Aktenordnerfabrik Mehle und beide kamen in Lahde zu Tode: Der eine wurde am 24. November 1943 (auf der Einwohnermeldekarte fälschlich 24.II.) festgenommen und starb am 10. Februar 1944 noch immer im AEL Lahde an einer Blutvergiftung (er ist auf dem links stehenden Foto abgebildet), und der andere wurde am 28. Oktober 1943 verhaftet und am 4. November 1943 bei einem angeblichen Fluchtversuch erschossen. Beide überlebten ihre Deportation nach Deutschland also nur um wenige Wochen. Ein Verhaftungsgrund ist in beiden Fällen in den Akten nicht angegeben.

Auf der Karte ist in der letzten Spalte vermerkt: "Feststellung im Polizeirevier vom 19.1.45: Am 24.II.43 von Gestapo festgenommen und dem Erziehungslager Lahde zugeführt. Dort am 10.2.44 an Blutvergiftung verstorben." Dem Schreiber ist dabei nicht aufgefallen, dass jemand, der erst am 21.10.1943 nach Deutschland gekommen ist, nicht schon am "24.II.43" in ein "Arbeitserziehungslager" eingewiesen werden kann. Das richtige Datum ist daher wahrscheinlich der 23.11.1943.

Für den erschossenen Italiener fragte die Gestapo Göttingen, die man offensichtlich nicht von der Ermordung ihres Häftlings informiert hatte, erst am 14. September 1944 bei ihrer vorgesetzten Behörde in Hildesheim an, warum der der "dortigen Dienststelle mit der Bitte überstellt[e Italiener, diesen] vorrüberghend einem AEL zu überstellen" noch nicht an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt sei. Mit Schreiben vom 21.9.1944 teilte ihr die Gestpao Hildesheim daraufhin mit, dass der fragliche Italiener am 4.11.1943 bei einem "Fluchtversuch im Lager Lahde" erschossen und der Sterbefall im Standesamt Lahde registriert worden sei: "Das Arbeitsamt Göttingen wurde am 10.11.43 hiervor in Kenntnis gesetzt."

Der polnische Arbeiter Wladislaw Z., der in Roringen arbeitete, wurde am 10.12.1943 in die Göttinger Fleckfieberbaracke eingeliefert, weil er sich in Lahde angesteckt hatte: Dies sei - so teilte der Regierungspräsident in Hildesheim in seiner Meldung der Krankheitsfälle seinem Oberpräsidenten mit (Fleckfieber war eine meldepflichtige Krankheit) - bereits der zweite Fleckfieberfall aus diesem Lager. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Häftlinge in Lahde nicht nur mit Hunger und Kälte, sondern auch mit hochansteckenden und tödlichen Krankheiten zu kämpfen hatten.


Literatur und Quellen:

Einwohnermeldekarten, Stadtarchiv Göttingen, Alte Einwohnerregistratur.

Aufenthaltsanzeigen von Ausländern, Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Fach 124 Nr. 15 (alphabetische Ablage).

Regierungspräsident Hildesheim an den Oberpräsidenten 27.12. 1943, Niedersächsisches Haupt- und Statsarchiv Hannover Hann 122 a Nr. 3321, Bl. 17) Gabriele Lotfi, KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart München 2000, S. 193 f..

Günther Siedbürger, Zwangsarbeit im Landkreis Göttingen 19139-1945, hg. vom Landkreis Göttingen, Duderstadt 2005, S. 483 ff.

Andrea Tech, Arbeitserziehungslager in Nordwestdeutschland 1940-1945, Göttingen 2003, S. 180-208.

 


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