Bericht des französischen Vertrauensmannes des Stalags XI B Fallingbostel über die 6. Rundfahrt durch die Arbeitskommandos der Kreise Alfeld, Einbeck, Northeim und Göttingen 31. März bis 4. April 1942

Reiseroute des Vertrauensmannes: Mittwoch 1. April: [...] Arbeitskommandos 1505 in Göttingen. Übernachtung im Arbeitskommando 1091 in Göttingen. Donnerstag 2. April: Besichtigung der Arbeitskommandos 1263, 718 in Göttingen und des Arbeitskommandos 1509 in Geismar. [...]

STALAG XI B, Fallingbostel, den 12. April 1942

1. April 1942:

"Arbeitskommando 1505: Göttingen, Aluminiumwerk, 208 Gefangene. Vertrauensmann: Roger B., Gefangenennummer 101.749. Die Kameraden arbeiten in einer Rüstungsfabrik. Die Ernährung ist ausreichend, bis auf das Brot. Sie beklagen sich über ständige Brutalitäten, einerseits von dem Kommandoführer, Unteroffizier Noske, andererseits von den Wachen. Besonders der deutsche Sekretär der Schreibstube ist sehr schlecht zu den Gefangenen: wenn diese Pétain-Pakete erhalten, entfernt er die Aufkleber für Antwortschreiben.

Arbeitskommando 1091: Göttingen, Lohberg, 35 Gefangene. Vertrauensmann: Antoine M., Gefangenennummer 50.992. Arbeiten bei der Lagerung militärischer Güter. Ausgezeichnetes Außenlager."

2. April 1942:

"Arbeitskommando 1263: Göttingen, Sültebeck, 135 Gefangene. Vertrauensmann: Joseph D. Arbeiten in verschiedenen Betrieben der Stadt und bei Privatleuten. Alle Briefe des Vertrauensmanns werden von dem Kommandoführer dem Kontrolloffizier geschickt. Diese Briefe erreichen dann nicht den Vertrauensmann des Stalags. Die Kameraden, die sonntags Kohle schaufeln, haben nicht die Zeit, sich zu waschen. Der Kommandoführer trägt auf der Kleiderkarte nicht die persönliche Kleidung ein, die die Gefangenen in ihren Paketen erhalten. Der Speiseplan wird nicht ausgehängt und die Kameraden beklagen sich, nicht das Essen zu erhalten, das ihnen zusteht. Manche Arbeitgeber versichern, daß sie für ihre Gefangenen eine Essenszulage für Schwerarbeit zahlen, diese Gefangenen erhalten sie aber nicht. In mehreren Betrieben werden die Kameraden von zivilen Beschäftigten geschlagen. Kranke werden nie dem Arzt vorgestellt. Sie lassen sich morgens in ein Heft eintragen, und dieses Heft wird dann in die Sprechstunde des Arztes gebracht. Je nachdem, was da steht, schreibt der Arzt dann daneben „arbeitsfähig" oder „vom Dienst befreit". Ein Kamerad, Pierre V., Gefangenennummer 99.704 hat einen Leistenbruch und ist vom deutschen Arzt auf Leichtarbeit gesetzt worden. Man läßt ihn Güterwagen mit Kohle entladen.

Arbeitskommando 718: Göttingen, Bahnmeisterei, 81 Gefangene. Vertrauensmann: Rene V., Gefangenennummer 88.161. Arbeiten im Bahnhof Göttingen. Die Kameraden klagen, zu eng untergebracht zu sein: es gibt nur 80 Plätze, und zwei Kameraden müssen in demselben Bett schlafen. Der eine arbeitet tags, der andere nachts. Keine Zerstreuung ist möglich, kein Ausgang. Die schlechte Behandlung, die es mehrere Monate lang gegeben hatte, hat glücklicherweise aufgehört.

Arbeitskommando 1509: Geismar, 81 Gefangene, Vertrauensmann: Marcel B., Gefangenennummer 65.986. Arbeiten in einer Rüstungsfabrik in Göttingen [Wilhelm Lambrecht]. Beklagen sich über ihren Kommandoführer, der sogar in ihrer Abwesenheit das gesamte Theater des Lagers verbrannt hat: Aufbauten, Kulissen, Kostüme usw. Der Lagergeistliche, D., Gefangenennummer 54.431, wird nicht bezahlt."

Der Bericht wurde erstmals abgedruckt in: Frank Baranowski, Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit, Duderstadt 1995, S. 96 f., und wird hier nach dieser Quelle zitiert.

 


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