NS-Zwangsarbeit: Lager Sültebeck - französischen Kriegsgefangene - Lebensverhältnisse

Im Lager Sültebeck gab es immer wieder Klagen und Proteste wegen der dort herrschenden schlechten sanitären und hygienischen Verhältnisse:

Der Saal, in dem die Gefangenen auf dreistöckigen Pritschen schlafen mussten, war nicht winterfest. Schon im Oktober 1940 mahnte Kontrolloffizier Herrnkind deshalb an, dass die Kriegsgefangenen unbedingt zwei Schlafdecken erhalten müssten, da "die Erhaltung der Gesundheit und damit der Arbeitsfähigkeit der Kriegsgefangenen" ein "dringendes Erfordernis" sei. Im November 1940 verlangte dann der Führer des ebenfalls im Gasthaus Sültebeck untergebrachten Wachkommandos, dass der Waschraum so hergerichtet werden müsse, dass er nach außen völlig abgeschlossen und heizbar sei. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Gefangenen bis zu diesem Zeitpunkt auch im Winter quasi im Freien waschen mussten. Beide Eingaben hatten wahrscheinlich keinerlei Folgen. Von den Schlafdecken ist in den Akten nirgends die Rede und - bezogen auf den Waschraum - findet man nur eine Notiz vom Januar 1941 über eingefrorene Wasserleitungen.

Im März 1941 verlangte Herrnkind dann nach einer Lagerkontrolle nicht nur die Verstärkung der Stacheldrahteinzäunungen, sondern auch dass der Herd entrostet und geputzt, dass für mindestens zwei Gefangene eine Waschschüssel angeschafft werden und ein geeigneter Luftschutzraum für die Gefangenen eingerichtet werden müsse. In diesem Fall stellte das Bauamt wenigstens Putzmaterial für den Herd zur Verfügung und orderte weitere Waschschüsseln. Doch bezüglich des geforderten Luftschutzraumes stellte das für die Verwaltung des Lagers zuständige Stadtbauamt nur fest, dass ein geeigneter Raum dafür in der Nähe des Lagers nicht zur Verfügung stehe und deshalb nur innerhalb der Lagereinfriedung "Erdgräben in Selbsthilfe der Gefangenen" geschaffen werden könnten. Ob dies geschah, geht aus den Akten nicht hervor.

Klagen über die schlechte Behandlung der Kriegsgefangenen im Mai 1941, die als unberechtigt zurückgewiesen wurden.

Ein weiteres Problem stellten natürlich Ungeziefer und Unsauberkeit dar. Schon vor Ankunft der ersten Gefangenen hatte der Saal, in dem zuvor Getreide gelagert worden war, wegen einer Mäuseplage durch einen Kammerjäger gereinigt werden müssen. Wie erfolgreich, geht aus den Akten nicht hervor. Darin finden sich statt dessen im September 1942 Klagen über Läuse und Wanzen - diese Klagen stammten allerdings nicht von den Gefangenen selbst, sondern von den beiden Familien, die als Mieter ebenfalls noch im Hause wohnten. Zwar stritt das Bauamt die Berechtigung dieser Beschwerden ab, doch waren erst eine Woche zuvor Balken und Bretter aus dem Saal (wahrscheinlich Teile der Pritschen) im Garten über offenem Feuer abgebrannt worden - eine primitive und meistens nicht ausreichende Schädlingsbekämpfungsmethode. Mit dem Hinweis auf eine erst vor einiger Zeit erfolgte gründliche Reinigung des Lagers (diesmal war eine Flohplage der Anlass), bei der angeblich auch alle Strohsäcke gewaschen und mit frischen Stroh gefüllt und die Bettgestelle mit Desinfektionsmitteln abgerieben worden waren, wies das Bauamt die Beschwerden zurück.

Im Mai 1941 erhielt Bürgermeister Franz Claassen eine telefonische Mitteilung darüber, "daß die in dem Kriegsgefangenenlager Sültebeck untergebrachten Kriegsgefangenen schlecht behandelt würden. Es sei vorgekommen, daß die Wachmannschaften nachts in betrunkenem Zustande die Gefangenen aufstehen und exerzieren ließen. Die Folge war, daß die Kriegsgefangenen am nächsten Tage arbeitsunfähig waren. Derartige Übergriffe sollen wiederholt vorgekommen sein." Der von Claassen mit der Überprüfung dieser Vorwürfe beauftragte Bauamtsinspektor stellte allerdings nur fest, dass die Vorwürfe der Gefangenen unberechtigt seien

Siehe auch und den vernichtenden Bericht des französischen Vertrauensmannes des Stalags Fallingbostel vom April 1942 über die Zustände im Lager Sueltebeck.

Zu Klagen über die Verpflegung der französischen Kriegsgefangenen siehe hier.


Quellen und Literatur

Übergabeprotokoll 23.7.1940, Herrnkind an Stadtinspektor Tronnier, Stadtbauamt, 4.10.1940 (Zitat), Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o. P.
Vertrag 23./28.8.1940, Oblt. Wilke an Stadtbauamt 23.11.1940, Arb. Kdo. Nr. 1263 an Bauamt 10.1.1941, Herrnkind an OB 25.3.1941, Schreiben (Entwurf) 3.4.1941 (Zitat 2), Südhannoversche Zeitung (SHZ) an Stadtverwaltung, 25.9.1942, Thies und Helmold an SHZ, 23. und 24. 9. 1942, SHZ an Stadtverwaltung, 5.10.1942, Stadtbauamt an SHZ 8.10.1942, SHZ an Stadtverwaltung, 12.10.1942, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o. P.

Aktennotiz 13.5.1941, Schreiben an den techn. Inspektor Tronnier 22.5.1941 (Zitat und Abbildung), Aktennotiz 26.6.1941, Stadtarchiv Göttingen Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48, o.P.; Aktennotiz o. D. (20.9.1940), Schreiben an das Wirtschaftsamt 5.3.1941, ebd. Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 52, o. P.; namentliche Listen des Wachkommandos 1942-1945, einliegender Grüner Hefter in: ebd

Cordula Tollmien: Zwangsarbeiter der Göttinger Stadtverwaltung, Stand Dezember 2000, unveröffentlichter Bericht, insb. S. 14 f. und S. 17 f.

 


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