Städtische Gas- und Wasserwerke

Französische Kriegsgefangene: Trotz des unermüdlichen persönlichen Einsatzes von Oberbürgermeister Gnade, der für über 10 000 RM im großen Saal des schon als Tschechenlager genutzten Lagers Sültebeck ein stadteigenes Kriegsgefangenenlager einrichten ließ, erfüllten sich die Hoffnungen auf die schnelle und ausreichende Zuweisung von französischen Kriegsgefangenen für städtische Belange nicht. Das eigentlich für 250 Gefangene ausgelegte Lager wurde am 22. September 1940 erstmals mit nur 122 Gefangenen belegt, die ausschließlich in der Göttinger Rüstungsindustrie, mehrheitlich bei den Aluminiumwerken, eingesetzt wurden. Die städtischen Betriebe selbst gingen leer aus und mussten sich bis März 1941 mit von der Wehrmacht leihweise und nur unregelmäßig zur Verfügung gestellten Gefangenen zufrieden geben. Erst ab März 1941 arbeiteten dann – nach langen und aufwändigen Verhandlungen - 15 Gefangene dauerhaft für die städtischen Gas- und Wasserwerke. Die Verhandlungen über diese Kriegsgefangenen sind – weil es sich um städtische Quellen handelt - das am besten dokumentierte Beispiel für den unermüdlichen, auch vor erheblichen Investitionskosten nicht zurückschreckenden Einsatz eines Betriebes (in diesem Fall der Stadtverwaltung) bei der Beschaffung von ausländischen Arbeitskräften. Für die privaten Betriebe haben wir entsprechende Quellen in Göttingen nicht, aber es gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass auch hier mit erheblichem Aufwand um die Zuweisung von Arbeitskräften gekämpft wurde. Französische Kriegsgefangene aus dem Lager Sültebeck arbeiteten bis zur Zerstörung des Lagers im November 1944 für die Stadtwerke.

Polen: Abgesehen von den französischen Kriegsgefangenen arbeiteten in den Gas- und Wasserwerken keine weiteren aus Westeuropa stammenden ausländischen Arbeiter, dafür ab Mai oder Juni 1941 elf (namentlich bekannte) Polen und ab spätestens 1943 eine unbekannte Zahl von "Ostarbeitern".
Zunächst waren die Polen von der Göttinger Baufirma Schönewolf, die in Gieboldehausen ein Lager unterhielt, wieder nur "leihweise" zur Verfügung gestellt worden, kamen dann aber ab 27. Juni 1942 dauerhaft zu den Gas- und Wasserwerken. Dazu ist anzumerken, daß die (vorübergehende) Beschäftigung von Arbeitern der Firma Schönewolf bei den Gas- und Wasserwerken nicht vom Ausländereinsatz abhängig war, sondern schon eine längere Tradition hatte: Denn spätestens ab 1938, eventuell aber auch schon früher hatten Arbeiter von Schönewolf regelmäßig Tagelohnarbeiten bei den Gas- und Wasserwerken verrichtet, und auch andere Baufirmen, wie insbesondere die Baufirma August Drege oder auch die Baufirma Walter Gärtner "verliehen" schon vor dem Krieg über Monate hinweg Arbeiter an die städtischen Gas- und Wasserwerke, die nur so dem schon damals herrschenden Mangel an Arbeitskräften begegnen konnten. Letzteres wurde allerdings vom Rechnungshof, dem die "geliehenen" Arbeiter zu teuer erschienen, bezweifelt, da - so der Rechnungshof in einem Bericht vom August 1939 - etwa im städtischen Bauamt noch Arbeitskräfte zur Verfügung stünden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese Form der Zusammenarbeit auch eine Protegierung der betroffenen Firmen darstellte, die im übrigen auch häufig mit städtischen Bauaufträgen bedacht wurden.
Bei der dauerhaften Überstellung der Polen, die bis dahin offenbar von Gieboldehausen täglich nach Göttingen hatten gebracht werden müssen, an die Gas- und Wasserwerke im Juni 1942 mögen im übrigen auch Probleme bei der Lagerunterbringung der Polen in Gieboldehausen eine Rolle gespielt haben: Das Schulgebäude in Gieboldehausen war nämlich im Mai 1942 für Lazarettzwecke beschlagnahmt worden, so dass die Schule in ein Gebäude ausweichen musste, in dem bisher Polen untergebracht waren. Die meisten der in Gieboldehausen untergebrachten Polen arbeiteten in der Landwirtschaft und wurden daher auf die sie beschäftigenden Landwirte verteilt, und die ebenfalls dort untergebrachten Polen der Firma Schönewolf kamen eben zu den Gas- und Wasserwerken nach Göttingen. Ob wirklich alle elf Polen dauerhaft bei den Gas- und Wasserwerken blieben, ist nicht bekannt. Abgesehen von dem Vermerk am 27. Juni 1942, daß die von Schönewolf gestellten "Leute" nun dem Gas- und Wasserwerk "endgültig überwiesen" werden, gibt es in den Akten lediglich noch eine Notiz, nach der zwei der Aufgeführten (Brüder) ab 29. Juni 1942 in ei-ner Ziegelei eingesetzt werden sollten, mit dem Zusatz, daß sie aber lieber im Gaswerk bleiben wollten. Ob diesem Wunsch entsprochen wurde, ist nicht vermerkt.
Untergebracht waren die elf Polen wie die ersten polnischen Zwangsarbeiter in Göttingen im Lager Keim, Maschmühlenweg 50, von dem die Ortspolizei kurz nach Ankunft der Stadtwerkepolen im Juli 1942 feststellte, daß es völlig verwanzt sei, woraufhin im September 1942 eine neue Baracke aufgestellt wurde. Verpflegt wurden die Polen wie die Zwangsarbeiter bei Keim im Gasthaus Maschmühle (Maschmühlenweg 62 , Gastwirt Sieburg), das das einzige für Polen freigegebene Lokal in Göttingen war.

Sowjetische Kriegsgefangene: Sowjetische Kriegsgefangene arbeiteten über die städtische Fahrbereitschaft" ab August 1942 in einer Entladekolonne, die für das Ausladen der Kohlewaggons zuständig war, für das Gaswerk.

Ostarbeiter:Von den 1943 bei den Gas- und Wasserwerken eingesetzten Ostarbeitern, die sehr wahrscheinlich in dem größten Ostarbeiterlager Göttingens auf dem Schützenplatz untergebracht waren, wissen wir nur durch einen bemerkenswerterweise lobenden Hinweis in einem Bericht, den die Gas- und Wasserwerke am 3. September 1943 für eine nach dem Krieg zu verfassende Kriegschronik schrieben. Darin heißt es: "Es ist [...] gerechterweise zu vermerken, daß sich auch die zur Arbeit herangezogenen Ausländer, französische Kriegsgefangene sowohl wie "Ostarbeiter" zum überwiegend größten Teil als zuverlässig und fleißig erwiesen haben."
 

Gas- und Wasserwerke

Städtische Gas- und Wasserwerke, undatierte Aufnahme.


Quellen:

Stadtarchiv Göttingen, Akten Bauamt Abt. I Fach 16 Nr. 48 und Nr. 52, passim.

Foto Gas- und Wasserwerke, Fotoarchiv Städisches Museum Göttingen.

Aktennotizen 27.6. 1942, 30.6.1942, Bericht 3.8.1942, StadtAGö Personalamt Nr. 315. o. P.; Verfü-gung 3.10.1941, Aktennotizen 18.7.1942, 6.8.1942, ebd. Pol.Dir. Fach 124 Nr. 2, Bl. 438 v., Bl. 451; ebd. AHR I B 6 f Fach 6 Nr. 17, passim; Bürgermeister von Gieboldehausen an den Landrat von Duderstadt 90 28.5.1942, Kreisarchiv Göttingen LA DUD 1360 - den Hinweis auf diese Quelle verdanke ich Günter Siedbürger.
Liste der Arbeiter die von der Fa. ernst Schönewolf im Privatlager Gieboldehausen untergebracht sin, Einwohnermeldebuch Gieboldehausen (überlassen von Günther Siedbürger).

Städtische Gas- und Wasserwerke Bericht 3.9.1943 (Zitat), StadtAGö Dep. 51 Nr. 2, o. P.

Literatur:

Cordula Tollmien, Zwangsarbeiter in Ämtern, Dienststellen und Betrieben der Göttinger Stadtverwaltung während des Zweiten Weltkriegs, Göttingen Dezember 2000, S. 4-10, S. 27 ff.

 


Impressum